An das Zentrum für Dialog und Gebet in Oswiecim

Ich habe vom Kollegen Krzepina die zum 60. Jahrestag der Befreiung des KL Auschwitz herausgegebene Publikation des Zentrums bekommen, mit der Bitte, dass ich zu den da enthaltenen Aussagen junger Polen und Deutscher zum Thema der hitlerischen Okkupation und unserer Jugend Stellung nehme. Ich habe lange nachgedacht, worüber ich schreiben soll. Vielleicht darüber, dass die Sadisten im Hakenkreuzzeichen damit prahlten, welcher von ihnen mehr unschuldige Opfer tötet, oder dass sie sich im Ausdenken der raffiniertesten Torturen zu überbieten suchten? Unsere Jugend, das waren ein Tränenmeer, Torturen, Ströme von unschuldigem Blut und Leichenhaufen. Niemand, der nicht im Konzentrationslager in Haft gehalten war, ist in der Lage zu begreifen, was diese Lager waren. Es waren nicht nur Todeslager, sondern auch eine Art von Laboratorien. Dort hat man an Menschen, wie an Kaninchen oder Ratten, unterschiedliche gemeine Versuchsmethoden getestet. Niemand kann beschreiben, was in den Konzentrationslagern geschah. Kein Film wird es wiedergeben, Menschesverstand ist nicht in der Lage, das zu begreifen.

Katarina Groiss, Daniela Lazenhofer, Sylwia Rapp aus Hollabrunn in Österreich fragen, was uns die Kraft gegeben hat, ein Konzentrationslager zu überleben. Im Moment der Verhaftung hat man mein viermonatiges Kind von der Mutterbrust getrennt und auf den mit Schnee bedeckten Hof geworfen. Es ist ein Schmerz, der sich nicht beschreiben lässt und den ich heute immer noch empfinde. Ich war jung, ich wollte am Leben bleiben, um zu meinem Kindchen und meiner Familie zurückzukommen. Glaube an den Sieg über Faschismus und Liebe zu den mir nächststehenden Personen waren die Faktoren, die mir Überlebenskräfte einflössten.

Anna Wonsack aus Hünfelden in Deutschland interessiert sich für mein Verhältnis zu Gott. Liebe Anna, ich kann nicht mehr beten. Ich verüble es Ihm, dass er solche furchtbaren Grausamkeiten zuließ. Ich kann nicht mehr an seine Liebe und Güte glauben. Ich stelle immer die gleiche Frage: Warum? Bis heute habe ich aber keine Antwort gefunden.

Katarina Hartwig und Anja Lindig aus Jena in Deutschland fragen nach unsere Reaktionen auf die Befreiung. Im ersten Moment ist es eine unbeschreibbare Freude, deswegen, dass sich unsere Hoffnung auf die Befreiung erfüllt hat, und dass man der räuberischen Hydra ihren Kopf abgerissen hat. Ich wollte mich satt essen, ich wollte wissen, ob mein Kind lebt, schließlich wollte ich die mir wichtigsten Menschen, die überlebt haben, umarmen, und danach einfach in Ruhe sterben. Das waren meine ersten Wünsche, die ich übrigens nicht eingehalten habe, weil ich dann doch weiterleben wollte. Als wir aus der Hölle auf der Erde befreit worden sind, hatten wir Misshandlung, Erniedrigung, unbeschreibbaren Hunger, eine Arbeit, die über unsere Kräfte ging und die Kälte, die bis Mark und Bein drang, und anderen Methoden des Quälens hinter uns. Im Lager haben wir jeden Tag dem Tod in die Augen geschaut, wir haben zwischen Leichen gelebt, wir haben den Geruch der brennenden Leichen geatmet. Bis heute verfolgt mich der Albtraum der damaligen Tage. Mein Vater und meine Schwester wurden ermordet. Ich habe mein Kind rachitiskrank gefunden. Es hatte ein dickes Leibchen, Durchfall und aufgesperrte Augen. Die Dorfbewohner haben es aus Mitleid aufgezogen. Mein Herz war voll Hass und ich dachte, dass mein Leben ohne Hass nicht weiter gehen wird. Es ist zum Glück anders geworden. Dank den Mitgliedern vom Maximilian Kolbe-Werk habe ich wieder angefangen, an die Menschengüte zu glauben. Ihre Herzlichkeit und aufrichtiges Mitleid haben getan, dass ich die angebotene Hand angenommen habe. Seit Jahren arbeite ich ehrenamtlich im Kontaktbereich zwischen ehemaligen Häftlingen und Jugendlichen in Polen und Deutschland im Maximilian Kolbe – Werk. Der Hass ist aus dem Herzen spurlos verschwunden, was mich auch sehr freut.

Nicole Zach, Natalya Vonic, Daniela Eder aus Hollabrunn in Österreich fragen danach, wieviel Zeit vergehen musste, bis wir in der Lage waren, über unsere schwierigen Erlebnisse zu erzählen. Liebe Freunde, heutzutage fällt es mir immer noch nicht einfach davon zu sprechen, was ich damals erlebte. Obwohl ich es mir sehr wünschen würde, bin ich nicht in der Lage, das zu vergessen. Uns, d.h. mir und meinen Unglückgenossen aus dem Lager, ist es bewusst, dass wir über die Bestialität, über das Leiden und über den Tod von Millionen von Opfern, darunter auch deutschen Opfern, nicht schweigen dürfen und darüber laut und immer wieder sprechen müssen. Es freut uns sehr, wenn junge Leute sich für die Gründe und Folgen der Tragödie des II. Weltkrieges interessieren. Wir, die ehemaligen Häftlinge/Innen gehören zu den, die an diese sehr dunkle Vergangenheit rastlos erinnern. Wir tun es nicht deswegen, um Hass zu erwecken, sondern deswegen, um es nie wieder ru einer Wiederholung der Konzentrationslager kommen zu lassen. Wir legen besonderen Wert auf Kontakte mit Vertretern der jungen Generation. Die Zukunft liegt in ihren Händen. Unsere beiderseitigen, herzlichen Kontakte mit den Lehrern und Schülern des Gymnasiums in Bad Kissingen, die wir durch das Maximilian Kolbe – Werk angeknüpft haben, dauern schon seit 13 Jahren. Deswegen appelliere ich, die ehemalige Häftlingsfrau des KL Ravensbrück Nr. 33804, die am Lebensabend steht, an die jungen Menschen, dass sie es um keinen Preis dazu kommen lassen, dass man unschuldige Kinder, Frauen und Männer gemein ermordet. Ich möchte mich bei den Jugendlichen, die sich beim Kennenlernen unserer Erlebnisse engagieren, vom ganzen Herzen bedanken. Ich glaube daran, dass ihr euch für Freundschaft und Frieden zwischen Nationen aktiv einsetzen werdet. Ich grüße herzlich sowohl die, die im Maximilian Kolbe – Werk arbeiten, als auch Lehrer und Schüler des Gymnasiums in Bad Kissingen. Gemeinsam mit anderen Organisationen und Schülen bilden sie einen breiten Kreis von Erbauern eines Gebäudes der Versöhnung und des Friedens.

Nie wieder Krieg und seine Tragödien!

Leokadia Slopiecka

Walbrzych

Übersetzt von Anka Bibrzycka