Meine Reflexionen

zum 60. Jahrestag der Befreiung des KL Auschwitz – Birkenau

Am 27. Januar 2005 sind seit der Befreiung des deutschen, nazistischen Lagers des Todes in Auschwitz – Birkenau 60 Jahre vergangen. Man muss die Millionenmasse von Menschen in Erinnerung bringen, die unschuldig ein unmenschliches Leid ertrugen und die in Gaskammern und Krematorien vernichtet wurden.

Das Konzentrationslager Auschwitz wurde 1940 von der Regierung des Deutschen Reiches gebaut und wurde vom Budget des Dritten Reiches bis zum Ende (Januar 1945) unterhaltet. Aus den ökonomischen Gründen war es auf dem Gebiet des okkupierten Polens lokalisiert.

In der ersten Zeit seines Bestandes, bis zum Frühjahr 1942, war das Lager Auschwitz überwiegend für polnische Häftlinge gedacht und es hatte zum Ziel die Vernichtung der polnischen Intelligenz, der politischen, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Eliten Polens. Das Gelände des Lagers vergrößerte sich mit der zunehmenden Anzahl der Häftlinge, so dass man es zu einem riesenhaften Vernichtungskombinat umgewandelt hat. Das Lager wurde im Lauf der Jahre ein Vernichtungslager, besonders für Juden, Polen und für Menschen aus anderen Völkern – für die Einwohner der Länder, die von dem Deutschen Reich besetzt waren oder mit ihm kollaboriert haben.

Die Verbrechen, die man im KL Auschwitz – Birkenau und in den anderen Lagern verübte, die Unterdrückung der Völker, die Verachtung und Erniedrigung, sollen nie vergessen werden. Die Grausamkeit des Krieges 1939 – 1945 überschritt die Grenzen des menschlichen Begreifens und Verstehens. Mit dem Ausbruch des II. Weltkrieges wurden alle Moralwerte des kulturellen Erbe Europas erschüttert. Die grausame Rücksichtslosigkeit der Nazis verurteilte alle besetzte Völker zu Torturen, Sklaverei und Vernichtung. Die deutschen Nazis haben die Todesbetriebe – die Konzentrationslager gebaut. Dies waren Stätten der Erniedrigung und der Vernichtung, wo unter unbeschreibbaren psychischen und physischen Qualen Millionen von Menschen starben.
Den Rassenwahnsinn und das Machtstreben der deutschen Nazis haben wir, die polnischen politischen Gefangenen der nazistischen Gefängnisse und Konzentrationslager, unsere Familien, die zu Sklavenarbeit ins Innere Deutschland zwangsweggefahren wurden und Einwohner des ganzen okkupierten Landes erlitten.

Ich schreibe darüber um zu unterstreichen, dass es unsere Pflicht ist, uns die Erinnerung an die deutschen Verbrechen einzuprägen und es den nächsten Generationen der jungen Polen und jungen Deutschen weiterzugeben. Die Worte: „Menschen haben Menschen dieses Schicksal bereitet!“ sollen zum Ausdruck bringen, dass solche Tragödien nie wieder wiederholt werden dürfen.

Jedem muss es bekannt sein, was hier damals vorgefallen ist.

Papst Johannes Paul II hat an der „Todeswand“, auf der Gelände des Museums Auschwitz, während seiner ersten Reise nach Polen im Juni 1979 gesagt: „… ich beuge meine Knie vor der Golgota unserer Zeiten… “

Pater Maximilian Kolbe, der in einem Hungerbunker am 14. August 1941 mit der Phenolspritze ermordet wurde, ist das Zeugnis der erschütternden Wirklichkeit.

Am 17. Oktober 1971 hat Papst Paul VI den Pater Maximilian Kolbe seliggesprochen und am 10. Oktober 1982 hat ihn Papst Johannes Paul II heiliggesprochen.

Dieser polnische Heilige fördert uns in dem großen Werk der deutsch-polnischen Versöhnung und ist in unserem Gedächtnis als ein Symbol der Warnung und Bezeugung lebendig.

Ich bin der Mitglied des Verbandes ehemaligen politischen Häftlinge hitlerischen Gefängnisse und Konzentrationslagern mit dem Sitz in Lublin. Auf unserer Fahne steht ein Bild von dem Heiligen Maximilian Kolbe.

Sei das Maximilian Kolbe Werk, das in Deutschland von Herrn Alfons Erb gegründet wurde, eine weitere Bezeugung der Arbeit im Geist der Versöhnung!

Wir wollen und müssen uns darum bemühen, dass polnische und deutsche Jugendliche die tragische Vergangenheit des II Weltkrieges kennenlernen:

– man soll den jungen Menschen die mündliche und schriftliche Überlieferung über die Tragik der Kriegszeit zugänglich machen. Das sollte durch häufigere Treffen der Gruppen von Jugendlichen aus Polen und Deutschland mit ehemaligen Häftlingen und anderen Zeugen der verbrecherischen Zeiten erfolgen;

– man sollte Tätigkeiten in dem Bereich: Gedenkstättereisen, Besuche der Massennekropolen, Kennenlernen des Volksmartyriums und Archivdokumenten, die sich in den Museumssammlungen befinden u. Ä. entwickeln und intensivieren;

– die Schulbücher für Kinder und Jugendliche sollten historisch bestätigte und nicht verfälschte Inhalte zu bestimmten Themen umfassen. Solche Einstellung hängt von den Bildungsministerien und den redlichen Historikern ab;

– man soll den Jugendlichen die Prinzipien beibringen, gute, partnerschaftliche und freundliche Beziehungen aufzunehmen, u.a. soll es klargemacht werden, dass kein junger Deutscher sich mit der Schuld an den Kriegsverbrechen belastet fühlen soll, aber dass es ihm bewusst sein soll, wie der Okkupationsterror war und wie viele unmenschliche Taten man damals in Polen, besonders in den deutschen nazistischen Konzentrationslagern verübt hat;

– man soll unter den Jugendlichen Moralprinzipien im Geiste des Dekalogs und der Verantwortung für eigene Taten begründen.

Als der II. Weltkrieg 1939 ausgebrochen ist, war ich 4 Jahre alt, 6, als mein Vater 1941 verhaftet wurde. Ich bin eine Tochter von Stanislaw Konieczny (*1908 – +1991). Am 27. Mai 1941 wurde mein Vater in Majdan Sopocki verhaftet, danach in Zamosc und im Schloss in Lublin gefangengehalten. Man hat ihn dann ins KL Auschwitz gefahren, wo er die Lagernummer 19548 bekommen hat.

Bis Oktober 1944 war er Häftling des Lagers Auschwitz – Birkenau, danach man hat ihn nach Oranienburg – Sachsenhausen geschickt. Er wurde während der Evakuierung des Lagers auf dem Weg nach Schwerin durch die Armee der Aliierten befreit.

Mein Vater war im Moment der Verhaftung 33 Jahre alt, er war verheiratet und hatte vier Kinder im Alter von 10, 9 und 6 (das war ich) Jahren und sein jüngster Sohn war gerade erst 1 Monat und 7 Tage alt.

Um 5 Uhr morgens sind einige Gestapoagenten mit Gewehrgepolter in die Wohnung eingedrungen und haben meinen Vater verhaftet.

Zwei Jahre danach, im Juni 1943, wurden wir, d.h. ich, das 8-jährige Mädchen, meine Mutter und meine Geschwister infolge der Repressionen der Deutschen, während der Pazifisierung der Zamojszczyzna (die Region von Zamość, süd-östliches Polen) verhaftet und nach Deutschland in die Zwangsarbeit gefahren.

Glücklicherweise har sich unsere ganze Familie nach dem Kriegsende 1945 wiedergefunden. Wir sind in ein armes, durch den Krieg zerstörtes Land zurückgekehrt.

Mich an Euch wendend, Ihr Jugendlichen beider Nationen, der polnischen und der deutschen, möchte ich unterstreichen, dass ihr heutzutage noch Schüler oder Studenten seid, morgen aber, d.h. in der nächsten Zukunft, wenn ihr schon recht ausgebildet sein werdet, wird das Schicksal unserer Nationen in eure Hände gelegt. Verspielt nicht die Chance, ein glückliches Morgen für euch selbst, für eure Familien, euere Land und die Nachbarvölker zu schaffen.

Alfons Erb (1907 – 1983), der Gründer und Ehrenpräsident des Maximilian Kolbe Werkes, hat u.a. gesagt: Als ein Deutscher und Christ fühle ich mich verpflichtet, da für Frieden und Versöhnung zu arbeiten, wo der Hass und die Verachtung der Menschenwürde am meisten herrschten – in Polen. Mit höchster Achtung neige ich mich respektvoll vor dem Leid, das den Kindern, Frauen und Männer das deutsche Volk angetan hat – es soll nie wieder Krieg geben, es soll nie wieder Konzentrationslager geben.

Mögen die Worte von Alfons Erb euer gegenwärtiges Leben bereichern.

Danuta Potaczała

– Tochter von einem Häftling des KL Auschwitz, Nr. 19548
– Mitglied des Verbandes ehemaliger politischer Häftlinge hitlerischer Gefängnisse und Konzentrationslager, im Vorstand des Kreises Lublin

Lublin, den 18. Februar 2005

Übersetzt von Anka Bibrzycka