Puszczykowo, den 13. Februar 2005
Liebe Ewelina Matyjasik, lieber Pawel,
liebe Kinder!
Ich möchte Euch von einigen meiner Gefühle und Reflexionen erzählen, weil ihr Polen seid – ihr seid jung – und wohnt so nahe an der verdammten Stätte, dass es euch sicherlich psychisch etwas belastet. Ich glaube, dass es nicht ohne Bedeutung ist, dass man so nahe an dem Lager ist, und dass es im gewissen Grade eure Gedanken und euren Charakter beeinflusst.
Das, was wir erlebt haben, war schrecklich und ich hoffe, dass es sich nicht wiederholt. Ich möchte nur erwähnen, dass ich, als ich verhaftet wurde, 19 Jahre alt war. Es fällt mir schwer, ein Rezept zu finden, um euch einen Ratschlag zu geben, wie ihr leben sollt. Obwohl ich damals da war, glaube ich, dass ich kein Recht habe, euer Leben zu beeinflussen. Lebt möglich normal und ehrlich. Eins steht fest. In der Zukunft sollt ihr den Politikern, die ihr wählt, zuschauen. Guckt ihr ihnen auf die Hände, kontrolliert ihre Tätigkeiten, dass es dazu nicht komme, dass solche Unmenschen wie Hitler zu Macht kommen. Ich kann es nicht begreifen, wie es sein konnte, dass das deutsche Volk, dass mitten im angeblich kulturell entwickelten Europa lebte, Hitler zu seinem Führer wählte und dann seine Verachtung der anderen Nationen unterstützte. Ich glaube nicht an diese Entschuldigung der Deutschen, dass sie von seinen Verbrechen nicht gewusst haben.
In euch steckt also die Kraft der Zukunft.
Ich weiss, dass es für euch eine grosse Belastung ist, ich kann euch aber nichts anderes sagen. Eigentlich bedauere ich euch, junge Menschen, die ihr statt normal zu leben und Freude am Leben zu haben, und Glück und Unbekümmertheit zu genießen, bewusst oder unbewusst mit dem Mal des Lagers belastet wurdet.
Mein Name ist Urszula Schulz, geb. Łopińska, im Lager unter dem Familiennamen Łopińska. Ich bin am 19. Mai 1923 in Posen (Poznań) geboren. Ich bin 81 Jahre alt.
Ich gruesse euch ganz herzlich, ihr lieben Kinder. Lebt ihr glücklich,
Urszula Schulz
PS. Ich bedauere es sehr, dass ich nie die Gelegenheit hatte, eure Stadt zu besuchen und zu besichtigen. Ich war doch damals da, in Birkenau (Brzezinka) und während ich auf dem Feld gearbeitet habe, habe ich die einheimischen Menschen von weitem gesehen, wie sie da gelaufen oder mit dem Fahrrad gefahren sind. Es hat meine Sehnsucht nach der Freiheit vergrößert.
Ich küsse und grüße Euch noch mal, liebe Kinder,
U. Schulz
Übersetzung Anka Bibrzycka