Meine Erinnerungen aus den Konzentrationslagern

Am 9. August 1944 wurde ich zusammen mit vielen anderen Warschauern aus Warschau herausgetrieben. Man hat uns nach Pruszków, einen Ort in der Nahe von Warschau gebracht. Dort hat man die Transporte vorbereitet, die an unterschiedliche Orte gehen sollten. Mit einem solchem Transport bin ich direkt nach Auschwitz gekommen. An dieser Stelle werde ich nicht beschreiben, in welchen Verhältnissen wir gefahren sind und wie man mit uns umgegangen ist. Seit dem ersten Moment der Evakuierung war es einfach eine Hölle.

Als man uns in Birkenau aus dem Zug ausgeladen hat, haben die Menschen zu weinen angefangen. Ich habe die Frage gestellt: Warum weint ihr? Die Antwort lautete: Kind, weißt Du doch nicht wo man uns hingebracht hat?! Schau mal auf die qualmenden Schlote. Das sind Krematorien, in denen Menschen verbrannt werden. Eine große Angst kam über mich – ich bin gerade aus einer Hölle mit dem Leben davongekommen und man hat mich direkt in die andere gebracht. Die Menschen da haben furchtbar geweint, sie haben sich gegenseitig in Umarmungen ermutigt. Der Mut hat uns jeden Tag begleitet und die Erwachsenen haben ihn immer neu genährt. Dieses Mutmachen hat uns geholfen, das Grauen der Konzentrationslager zu überleben. Unserer innerlicher Glauben, dass wir davonkommen, war sehr stark.

Sie, liebe Frauen aus Deutschland, stellen die Frage, ob wir daran geglaubt haben, dass wir wieder in Freiheit leben werden und wie wir auf die Befreiung reagiert haben. Der Glaube daran, dass wir überleben werden, war wackelig. Wir waren sehr abgemagert und von der überfordernden Arbeit abgezehrt. Im Lager Neustadt–Glewe hat man uns mit Schaufeln und Spitzhacken in den Händen zu einem Wald geführt. Dort haben wir Schützengraben vorbereitet. Wir haben vom Tagesanbruch bis zum Sonnenuntergang mit einem Stück Brot und Wassersuppe ohne ein bisschen Salz gearbeitet. Diese Mahlzeit haben wir erst abends gegessen. Das Leben hat in uns kaum geschwelt. Was die Befreiung angeht, wir haben sie ohne Begeisterung angenommen. Am dringendsten war für uns, uns satt zu essen. Die anderen Sachen sind in den Hintergrund getreten.

Frau Anna Wonsack aus Deutschland fragt nach unserer Einstellung zu Gott. Persönlich habe ich meinen Glauben an Gott verloren. Aus den Gesprächen mit meinen Kolleginnen und Kollegen weiß ich, dass sie diesen Glauben auch eingebüsst haben. Es gibt in dem „Gebet des Herrn“ folgende Worte: „Unser tägliches Brot gib uns heute“ und dieses Brot gab es nicht, und wenn doch, dann war es so eine winzige Menge, als ob man gar nicht gegessen hatte. Sie fragen, ob der Glaube eine Stütze, eine Grundlage für weiteren Lebensaufbau sein kann? Meine Antwort darauf ist: ganz sicher nicht! Früher war ich eine sehr religiöse Person, aber im Verlauf der Jahre und mit der zunehmenden Lebenserfahrung habe ich verstanden, dass der Glaube nirgendwohin führt. Man muss einfach Mensch sein, man muss an den eigenen Schwächen arbeiten können und zu anderen Menschen ohne Rücksicht auf seine Religions- oder Staatsangehörigkeit freundlich sein. Hitler – er war ein besessener Mensch, der seine schändlichen Pläne mit dem Segen des Papstes verwirklichte. Hat er nach dem Attentat auf sein Leben nicht im Reichstag „Ich bin unsterblich!“ geschrieen?! Das deutsche Volk anerkennt doch auch die Religion und Gott. Und warum haben sie dann Hitler über Gott gestellt?

Als die Befreiung kam, war ich minderjährig. Danach hatte ich keine Zeit, über die Hölle des Lagerlebens nachzudenken. Ich habe mich bemüht jeden Tag zu genießen und Freude am Leben zu haben und das tue ich bis heute. Träume von diesen Zeiten waren und sind immer noch ein Albtraum für mich.

Ich habe ein Viertel des Jahrhunderts gebraucht, um in der Lage zu sein, über die Lagerhölle erzählen zu können. Nach jedem Vortrag bin ich sehr nervös und habe starke Kopfschmerzen. Dieser Zustand dauert dann nachher immer ein paar Tage. Heutzutage ist es schwer über den Hass zu sprechen, weil nur noch wenige von den Henkersknechten am Leben sind. In diesen grauenhaften Zeiten waren unseren Herzen mit Hass überfüllt, der von dem Tod so vieler unschuldiger Menschen erregt wurde. Die Henkerschlächter in den Konzentrationslagern – es waren ausgewählte Menschen mit einem sadistischen, psychopatischen Charakter.

Man hat jahrelang gebraucht, um seine Einstellung zu dem deutschen Volk zu ändern. Heutzutage sind sie nicht dieselben Menschen! Sie sind freundlich, herzlich, lächelnd. Sie knüpfen gerne Kontakte mit uns und sind bei der Tätigkeit des Maximilian Kolbe Werkes e.V. behilflich. Es ist unmöglich alles zu nennen, was für uns geleistet wird, weil es aus Rücksicht auf unser Alter und unseren Gesundheitszustand riesige Bedürfnisse gibt. Wir bitten das deutsche Volk um die weitere Zusammenarbeit mit dem Maximilian Kolbe Werk e.V.. Es ist eine Organisation, die ein riesiges Vertrauen genießt.

Die Menschen aller Welt wünschen sich in Frieden zu leben. Es gibt aber immer wieder Kriege, es kommen immer wieder unschuldige Menschen ums Leben… Reicht es nicht, dass jeden Tag Millionen von Menschen wegen Naturkatastrophen und verschiedenem anderen Unglück und auch wegen Krankheiten sterben? Kriege werden von dem Verlangen reicher zu sein, von Rachsucht, Intoleranz oder über religiöse Gründe verursacht.

Es bleibt mir nichts anderes, als an die Nationen aller Welt um weise Staatsführer zu appellieren, die vernünftig denken und die Auswirkungen den Entscheidungen, die sie treffen voraussehen können. Man soll die vorgesehenen Ziele nicht aus einer Laune erreichen, sondern das Wohl aller Völker in Betracht ziehen.

Es soll nie und nimmer wieder in keinem Staat der Welt einen so ungeheueren Friedhof ohne Gräber wie in Auschwitz–Birkenau geben.

Marta Baruk, Elzbieciak

Walbrzych

Übersetzt von Anka Bibrzycka