Für die, die den Albtraum des Holocausts erlebt haben, ist die Rückkehr zu den tragischen Erinnerungen eine ständige psychische Tortur, die in Worten schwer auszudrücken ist. Wie konnte es überhaupt dazu kommen? Auf solche unmenschliche Art hat man die grundsätzlichen Moralwerte, das Menschenrecht aufs Leben, aufs Existieren angetastet. Diese Frage scheint heute rein rhetorisch zu sein, denn wie soll man sie beantworten? Die Schuld kann man den Nazis, den totalitären, destruktiven, repressiven Regimen aufbürden. Wir wissen genau, dass sie es ausgezeichnet verstehen, den Menschenverstand mit ihren Irrtheorien umzupflügen. Das deutsche Volk, das, übrigens recht stolz auf eine große Menge von berühmten Wissenschaftlern in vielen Gebieten ist, bestand doch nicht nur aus Sympathisanten des Nationalsozialismus. Es war eine lähmende Angst. Das Hitlerregime konnte, genauso wie die anderen Regime, seine Gegner beispielhaft bestrafen. Aber die freien, demokratischen Länder schauten der Vernichtung unserer Nation zu, es gab unter ihnen nicht viele Gerechte. Es gab doch (vielleicht etwa beschränkte) Druckmittel oder Protestformen gegen die entarteten Programme der Vernichtung von Millionen von Menschenwesen, die die deutschen Nazis ungestraft realisiert haben, die vorhanden waren.
Haben es die tragischen Ziele der politischen Korrektheit verlangt? Man hat uns das Recht auf Existenz verweigert, man hat uns sogar das Recht abgesprochen, Tränen an den Gräbern unserer nahestehenden Personen zu vergießen, weil sie ohne ihre Identität, ohne Name und nur mit den ihnen angegebenen Nummern umkamen. Aus der Tiefe unserer gequälten Herzen reißt sich längst ein seit langem unterdrückter Schrei los. Man darf nie wieder zulassen, dass so ein wahnsinniges Szenario sich irgendwo wiederholt und dass es irgendjemanden mehr betrifft. Das den jungen Generationen von unseren tragischen Erfahrungen Erzählen muss dagegen eine effektive Barriere sein. Gleichzeitig muss man sich mit dem großen Appell an sie wenden, dass sie sich so stark wie möglich dafür einsetzen, Menschenköpfe vom Bazillus Intoleranz und Hass zu befreien.
Achtung für Menscheswesen, das Gute und Hilfe, die man den Andren in Not leistet, das sind Botschaften, die unser unvergessener Papst Johannes Paul II. so schön verkündete.
Ich hatte die Gelegenheit dazu, Kontakte mit deutschen Jugendlichen aufzunehmen. Diese Kontakte erfüllen mich mit Optimismus, sie verheißen Positives. Das Engagement der jungen, sensiblen Menschen, Menschen auf der Suche nach Wissen, nach Wahrheit, ist wunderbar. Man soll diese Aktivität unterstützen und in diese Tätigkeit Gelehrte, Moralautoritäten und Geistliche verschiedener Konfessionen anschließen. Meiner Meinung nach haben Eltern und Pädagogen die Hauptrolle dabei. Sie haben nämlich den überwältigenden Einfluss auf Bildung des Menschengeistes, dem Geist der Toleranz und der Menschenfamilie entsprechend. Ich glaube auch, dass demokratische Staatsregierungen verpflichtet sind Rechtsmittel zu erarbeiten, um Personen und Zentren, die destruktive und hetzende Losungen verbreiten, zu bestrafen. Wie es scheint, in Deutschland werden solche Strafen schon angewendet. Obwohl Versöhnung und Verbesserung den zwischenmenschlichen Beziehungen nicht einfach zu erreichen sind, es ist möglich diese Ziele zu verwirklichen. Wir, die Opfer des Holocausts, haben gegenüber den Millionen von Opfern diese Verpflichtung.
Ich selbst wurde mit meiner sechsköpfigen Familie ins Getto in Lodz eingesperrt. Seit der Gründung bis zur Liquidation des Gettos habe ich da gemeinsam mit anderen Kindern bei Renovierung und Auftrennen der Uniformen von den deutschen Soldaten gearbeitet. Aus der ganzen Familie bin nur ich und mein Bruder am Leben geblieben. Mein Bruder wurde aus dem KL Auschwitz befreit, heutzutage wohnt er in den USA.
Irena Zbyszynska
Stowarzyszenie Zydow Kombatantow – oddział Warszawski
[Vereinigung der jüdischen Kriegsteilnehmer Abteilung Warschau]
Warszawa
Übersetzung Anka Bibrzycka