Manfred Deselaers
Deutsche katholische Priester in nationalsozialistischen Konzentrationslagern
Sehr geehrte Damen und Herren1,
zu Beginn möchte ich mich für die Einladung bedanken.
Ich empfinde es immer noch als etwas Besonderes, hier als Deutscher vor Ihnen zu reden, in diesem Saal der Krakauer Universität, in dem der Deutsche Staat im November 1939 polnische Professoren verhaftet hat und so den Willen zur Vernichtung der polnischen Selbstständigkeit radikal deutlich machte.
Ich möchte auch für das Thema danken: Deutsche Priester – Opfer nationalsozialistischer Konzentrationslager. Vor allem deshalb, weil es mich zwang, mich mit diesem Thema zu beschäftigen. Das war für mich eine sehr gesunde Herausforderung.
Ich möchte auch erzählen, dass ich mich lange dafür nicht interessiert habe. Ich erinnere mich, dass im Priesterseminar unser Aachener Weihbischof Joseph Buchkremer bei einem Besuch begann, von seiner Zeit in Dachau zu erzählen. Das war damals für mich wie eine Erzählung aus einer fremden Welt, die mit der unseren nichts zu tun hat. Ich erinnere mich auch, dass ein Kölner Priester zu einem Vortrag ins Priesterseminar eingeladen worden war, um über den Widerstand der Kirche im Dritten Reich zu referieren. Ich stellte in der Diskussion nur eine Frage: „Warum hat fast niemand protestiert, als die Synagogen brannten? Das waren doch auch Gotteshäuser!“
Mich hatte schon lange das Schicksal des Jüdischen Volkes beschäftigt (nach dem Abitur war ich anderthalb Jahre in Israel) und später dann das Schicksal Polens. Und da stand für mich in Bezug auf Deutschland der Umgang mit der Schuldfrage im Vordergrund, nicht deutsches Heldentum. Ich fand, insgesamt betrachtet, gab es wenig, worauf die Kirche in Deutschland im Hinblick auf den 2. WK stolz sein könnte.
Dass Sie mich jetzt in gewisser Weise von der Opferseite her nach deutschen Priestern in Konzentrationslagern fragen, ist deshalb für mich eine Herausforderung.
Ich möchte betonen, dass ich nicht Wissenschaftler bin, sondern Seelsorger. Das Thema ist mir nahe, aber ich habe keinen umfassenden Überblick.
Ich werde mich im Folgenden auf die Katholische Kirche in Deutschland beschränken.
Ich hatte einen entfernten Onkel, Heinrich Selhorst, der Domkapitular im Bistum Aachen war und dort verantwortlich für das Schulwesen. Mit ihm will ich beginnen. Ich habe ihn nur einmal getroffen. Ich wusste, dass er in Dachau gewesen war, mehr aber nicht. Dr. Heinrich Selhorst hat ein Buch herausgegeben, in dem Priester des Bistums Aachen über ihre Verfolgung in der Nazizeit berichten. Dort schreibt er auch über seinen Weg.2
1933, im Jahr der Machtergreifung Hitlers, wurde er Religionslehrer am Kaiser-Karls-Gymnasium in Aachen. Er machte viele Hausbesuche bei den Eltern und gründete für Schüler in seiner Wohnung freie Arbeitsgemeinschaften. Der erste Konflikt entstand, weil gleichzeitig die Hitlerjugend ihre Treffen hatte, die Schüler aber lieber zu ihm kamen. 1937 organisierte er Besinnungstage und machte Hausbesuche bei den Eltern zur Vorbereitung der Abiturienten auf den bevorstehenden Arbeitsdienst. Er wurde von einem Lehrer angezeigt mit dem Vorwurf, die Wahlfreiheit der Schüler zu gefährden. Diese verteidigten ihn, so dass es zu keiner Verurteilung kam, er aber die Schule wechseln musste. 1939, nach Kriegsausbruch, wurde er angezeigt, dass er im Religionsunterricht den Unterschied zwischen Helden und Heiligen so beschrieben habe, dass es die Wehrkraft schädige. Er wurde freigesprochen, weil es in Aachen noch unabhängige Richter gab. 1942 wurde er angezeigt, weil er bei einem Hausbesuch überzeugten NSDAP Mitgliedern mit der Strafe Gottes gedroht haben soll, falls ihre Tochter aus der Kirche austrete. Danach kam er in Schutzhaft nach Dachau, wo er vom Mai 1942 bis zum März 1945 blieb.
Im Rückblick schrieb er:
„Entscheidend für die Meisterung des Lagerlebens waren das Gottvertrauen, das Gebet, vor allem das Kreuzweggebet, die demütige Ergebung in den Willen Gottes und die zuversichtliche Erwartung des guten Endes. Viele habe ich im Lager sterben sehen, die es an dieser Haltung hatten fehlen lassen. Der Nationalsozialismus war eine gottlose Welt, wie es die vielen anderen Sozialismen zumeist sind oder im Lauf der Zeit allzu oft werden. Sie setzen ihre Kraft auf die Leistung des Menschen. Sie mühen sich um das Leben in der Zeit und vergessen darüber die Ewigkeit. Das Leben im Lager war nur möglich als Leben in der Gegenwart Gottes, in der täglichen Erfahrung seiner helfenden Nähe, in der innigen Dankbarkeit und Danksagung für die überreiche Gnade Christi.“
Einige Bemerkungen zum größeren Zusammenhang.
Katholiken waren im Deutschen Reich mit ca. einem Drittel der Bevölkerung eine Minderheit. Mehrheitlich katholische Gebiete waren vor allem die Rheinprovinz mit einem starken Sozialkatholizismus (besonders Köln, Aachen, Bonn, Mönchengladbach, Düsseldorf) (hier bin ich groß geworden), Ostschlesien und das Ermland [Warmia]. Im Parlament gab es zwei katholische Parteien: das Zentrum (1933 ca 11%) und die Bayrische Volkspartei (3%).3
Von Anfang an bis zum Schluss war für die katholische Kirche in Deutschland völlig klar, dass die nationalsozialistische Weltanschauung und Ethik mit der christlichen Weltanschauung und Ethik unvereinbar sind. Den Versuch einer Angleichung, wie in der Evangelischen Kirche bei den „Deutschen Christen“, hat es nicht gegeben. Noch im Juli 1932 erklärte die Fuldaer Bischofskonferenz zur Nationalsozialistischen Partei:
„Sämtliche Ordinariate haben die Zugehörigkeit zu dieser Partei für unerlaubt erklärt, weil Teile des offiziellen Programms […] Irrlehren enthalten.“4
Als dann aber wenige Monate später Hitler die Macht ergriffen hatte, als nach den Wahlen am 5. März 1933 klar wurde, dass die katholischen Parteien (Zentrum und die Bayrische Volkspartei BVP) den parlamentarischen Einfluss auf die Regierung verloren hatten, als Hitler in seiner Regierungserklärung am 23. März versichert hatte, die Kirchen und das Christentum zu respektieren, als am 25. März auch die katholischen Parteien dem Ermächtigungsgesetz zugestimmt hatten, erklärten die Bischöfe am 28.März:
„Ohne die in unseren früheren Maßnahmen liegende Verurteilung bestimmter religiös-sittlicher Irrtümer aufzuheben, glaubt daher der Episkopat das Vertrauen hegen zu können, dass die vorbezeichneten allgemeinen Verbote und Warnungen nicht mehr als notwendig betrachtet zu werden brauchen. Für die katholischen Christen, denen die Stimme ihrer Kirche heilig ist, bedarf es auch im gegenwärtigen Zeitpunkte keiner besonderen Mahnung zur Treue gegenüber der rechtmäßigen Obrigkeit und zur gewissenhaften Erfüllung der staatsbürgerlichen Pflichten unter grundsätzlicher Ablehnung allen rechtswidrigen oder umstürzlerischen Verhaltens.“5
Die Kirche wollte trotz aller Kritik nicht außerhalb der nationalen Erneuerungsbewegung bleiben.
Am 1. April fand ein Boykott jüdischer Geschäfte statt. Kein Bischof protestierte.
(Am 12. April schrieb Edith Stein ihren Brief an den Papst, in dem sie gegen das Schweigen der Kirche zur Judenverfolgung protestierte.6)
Am 5. Juli lösten sich Zentrum und BVP selbst auf.
Am 20. Juli wurde das Reichskonkordat mit dem Heiligen Stuhl unterzeichnet, das katholische Einrichtungen, wie Schulen und Verbände schützt, gleichzeitig aber jegliche politische Tätigkeit verbietet.
Schon bald wurde deutlich, dass die Nationalsozialisten jeden kirchlichen Einfluss auf das öffentliche Leben zurückdrängen wollten und wenig Rücksicht auf das Konkordat nahmen. Kath. Jugendarbeit wurde erst eingeschränkt, dann verboten, kath. Vereine aufgelöst, kath. Medien verboten, Bekenntnisschulen geschlossen. Schon 1934, als Rosenberg Beauftragter für die Weltanschauung der Regierung geworden war, wurde dessen Hauptwerk „Mythos des 20. Jahrhunderts“ auf den Index gesetzt, also für Katholiken verboten. Jede Kritik in einer Predigt an der NS Weltanschauung konnte als staatsfeindliche Aktion angezeigt werden (Heimtückegesetz). Spätestens seit dem Verlesen der Enzyklika von Papst Pius XI „Mit brennender Sorge“ im Jahr 1937 war klar, dass die katholische Kirche in Opposition zur Regierung steht. Dennoch wurde große Zurückhaltung bei öffentlichen Protesten geübt, um die noch verbliebenden Strukturen der Kirche nicht zu gefährden. Man konzentrierte sich auf die Seelsorge im engeren Sinne, auf die innere Stärkung der Gläubigen.
Dennoch gerieten von den 43.000 Welt- und Ordens-Geistlichen von 1933 bis 1945 11.500 mit Staats- oder Parteistellen in Konflikt, unter den Ordensmitgliedern jeder zehnte, unter den Weltpriestern mehr als jeder Dritte. Ca. 2000 Mal wurden Freiheitsstrafen verhängt, 417 deutsche Kleriker wurden in ein Konzentrationslager eingeliefert, zumeist nach Dachau, 109 von ihnen kamen dort ums Leben. 74 weitere Priester wurden anderswo ermordet.7 8
Beispiele:
Hermann Scheipers, Priester des Bistums Dresden-Meißen, hatte 1940 in einem Lager für polnische Zwangsarbeiter für diese die Messe gefeiert. In seinem Haftbefehl stand: Scheipers gefährdet den Bestand und die Sicherheit des Volkes und Staates, indem er in freundschaftlicher Weise mit Angehörigen feindlichen Volkstums verkehrt. In Dachau gelang es ihm zufällig, in seine Gestapo-Akte zu schauen. Er schreibt:
„Das Entscheidende war die abschließende Gesamtbeurteilung: Scheipers ist ein fanatischer Verfechter der katholischen Kirche und deswegen geeignet, Unruhe in die Bevölkerung zu tragen. Daher weitere Schutzhaft im KZ Dachau. Das deutsch Volk sollte also durch die Verkündigung der Botschaft Christi nicht beunruhigt werden! Ich bin Gott während meiner weiteren Haft immer wieder dankbar gewesen für diese klaren Aussagen der Gestapo. Ich wusste jetzt woran ich war. Es kam eine große Ruhe über mich, die all diese Jahre hindurch anhielt, und ich glaube, das hat mir entsprechend geholfen, die Gefangenschaft leichter als manche andere zu überstehen. Ich spürte, … dass ich hineingestellt war in den Kampf zwischen Licht und Finsternis, zwischen Christus und Satan – und ich fragte mich verwundert, wieso ich würdig befunden war, zu denen zu gehören, die für den Namen Jesu leiden dürfen.“9
Einige deutsche Priester sind inzwischen von der Kirche seliggesprochen worden.
Karl Leisner
Karl Leisner ist in Kleve am Niederrhein aufgewachsen. Dort war er sehr engagiert in der katholischen Jugendarbeit. Im Mai 1933, wenige Monate nach Hitlers Regierungsübernahme, ein Jahr vor seinem Abitur, schrieb er in sein Tagebuch:
„Wie soll ich mich zu Hitler und den Nazis stellen? Soll ich mitlaufen, mitschreien, mitziehen? Nein, das tue ich nicht … Der Drill, die Schnauzerei, die Lieblosigkeit gegen die Gegner, ihre fanatische tamtamschlagende Nationalitätsbesessenheit kann ich nicht teilen. Ich bin aber trotzdem Deutscher und liebe mein Vaterland und meine Heimat. Aber ich bin auch und an erster Stelle Katholik.“10
In der Schule kommt es zu Auseinandersetzungen. Ein nationalsozialistischer Lehrer wollte sein Abitur 1934 verhindern, was aber nicht gelang.
Danach trat er ins Priesterseminar in Münster ein und wurde gleichzeitig (1934-36) Leiter der Kindergruppen (Jungscharführer) in der Diözese Münster. In seiner Jugendarbeit spricht er vom Reich Christi in Deutschland.11 Die Angriffe der Nazis auf die katholische Jugendarbeit nahmen zu. In sein Tagebuch schreibt er im Feb. 1936:
„Herr, verschone unser Volk und Land, auch wenn wir leiden und büßen müssen für die Sünden vieler vor uns und mit uns! … Wo sind Recht und Liebe – alles fehlt davon, weil sie nicht mehr da sind. Deshalb müssen wir Getauften, Gefirmten und wundersam Gestärkten die Liebe leben. Helden der Liebe. Wir besiegen und machen zunichte den Hass. Wir singen, auch wenn wir sterben müssen. … Hier schreib ich es nieder: Ich will der Liebe leben, ich will die Liebe leben. Ich will durch und durch mit und in der Liebe leben… Durch Leben im Dreieinigen in und mit Christus und Maria allen alles!“12
Bis an sein Lebensende bleiben seine Tagebuchaufzeichnungen geprägt von einem inneren Ringen um Treue zu diesem Ziel und dem damit verbundenen Weg.
Im März 1939 wird Leisner durch Bischof Clemens August Graf von Galen in Münster zum Diakon geweiht. Kurz darauf erkrankt er an Tuberkulose und kommt in ein Lungensanatorium.13 Seine bevorstehende Priesterweihe wird verschoben. Am 9. November 1939 erfahren die Kranken im Sanatorium von dem misslungenen Attentatsversuch auf Hitler. Weil er sich nicht mit den Anderen über die Rettung des Führers freuen will, wird er angezeigt. Am selben Tag wird er verhaftet. Im Gefängnis schreibt er in sein Gebetbuch:
„Ich bin vollkommen ruhig, ja froh; denn ich bin mir meines reinen Gewissens und sauberer Gesinnung bewusst. Und wenn ich vor Gottes klarem Richterspruch bestehen kann, was können Menschen mir dann schon antun!“14
Nach Aufenthalten in verschiedenen Gefängnissen und 9 Monaten im KZ Sachsenhausen15, wird er 1940 Schutzhäftling im KZ Dachau. Er kommt in den deutschen Priesterblock. Dort ist er sehr beliebt wegen seiner stillen Fröhlichkeit. Aber seine Krankheit meldet sich wieder und seit März 1942 bis zum Ende des Krieges 1945 muss er im Krankenrevier bleiben.
Im September 1944 kommt mit französischen Kriegsgefangenen ein Bischof16 ins Lager und am 17. Dezember wird Karl Leisner, schon sehr schwach, geheim zum Priester geweiht. Damit erfüllt sich wie durch ein Wunder seine größte Sehnsucht. Am 26. Dezember, dem Stephanus Tag, feiert er in der Lagerkapelle seine Primiz, seine einzige Hl. Messe. Nach der Befreiung stirbt er am 12. August in einem Sanatorium bei München. Seine letzte Tagebucheintragung:
„Gut Nacht, ewiger, heiliger Gott, … liebe Heiligen alle, alle lieben Lebendigen und Toten nah und fern! Segne auch, Höchster, meine Feinde!“17
Seine sterblichen Überreste befinden sich heute in der Krypta des Xantener Domes. Papst Johannes Paul II hat ihn 1996 im Berliner Olympiastadion seliggesprochen.
Einer der bekanntesten katholischen Gegner des NS-Regimes war der Berliner Dompropst Bernhard Lichtenberg. Bernhard Lichtenberg wurde 1930 Domkapitular und 1938 Dompropst der Hedwigs Kathedrale in Berlin.
Bereits 1933 durchsuchte die Geheime Staatspolizei erstmals Lichtenbergs Wohnung.
Als er 1935 von den Zuständen im KZ Esterwegen erfuhr, protestierte Bernhard Lichtenberg in einer Beschwerdeschrift. In der Folge wurde er wegen „Verbreitung von Greuelpropaganda“ im Gebäude der Gestapo verhört und misshandelt, um die Quelle seiner Informationen zu erfahren. Er gab diese jedoch nicht preis.
Am Tag der Pogrome gegen die Synagogen am 9. November 1938 solidarisierte sich Dompropst Bernhard Lichtenberg am Abend in der Berliner Sankt-Hedwigs-Kathedrale mit den Juden in Deutschland:
„Was gestern war, wissen wir. Was morgen ist, wissen wir nicht. Aber was heute geschehen ist, haben wir erlebt: Draußen brennt der Tempel. Das ist auch ein Gotteshaus“.18
Von diesem Tag an betete er täglich öffentlich für die Juden, die Christen jüdischer Abstammung und andere Opfer des NS-Regimes.
Am 23. Oktober 1941 wurde er durch die Geheime Staatspolizei festgenommen und am 22. Mai 1942 wegen „Kanzelmissbrauchs“ und Vergehen gegen das Heimtückegesetz zu einer zweijährigen Haftstrafe verurteilt. Das Angebot der Gestapo, ihn unter der Voraussetzung freizulassen, dass er für die restliche Dauer des Zweiten Weltkriegs nicht mehr predige, lehnte er ab. Nach der Abbüßung der Strafe wurde Lichtenberg 1943 nicht entlassen, sondern in „Schutzhaft“ genommen und die Einweisung in ein Konzentrationslager verfügt. Am 5. November 1943 starb Lichtenberg auf dem Transport nach Dachau.
Papst Johannes Paul II. sprach Bernhard Lichtenberg am 23. Juni 1996 zusammen mit Karl Leisner in Berlin selig.
Yad Vashem ehrte Lichtenberg postum als „Gerechten unter den Völkern“.
Rupert Mayer SJ war ein deutscher Jesuit und Präses der Marianischen Männerkongregation.
Schon zu Lebzeiten wurde er als „Apostel Münchens“ bezeichnet und heiligmäßig verehrt.
Als 1935 die Caritassammlung verboten wurde, stellte er sich aus Protest am 18. Mai des Jahres mit der Sammelbüchse vor die St.-Michaels-Kirche.
Im April 1937 wurde ein Redeverbot verhängt. Als er dieses nicht befolgte, wurde er am 5. Juni verhaftet. Im Juli wurde er von einem Sondergericht wegen Kanzelmissbrauchs verurteilt. Wegen der Entrüstung des Kardinals und weiter Teile der Münchner Bevölkerung wurde er jedoch freigelassen. Da er weiterhin regimefeindlich predigte, wurde er am 5. Januar 1938 erneut verhaftet. Durch eine Amnestie kam er am 3. Mai 1938 frei. Er hielt sich nunmehr an das Predigtverbot, weigerte sich jedoch, Auskunft über seine Seelsorgegespräche zu geben. Deshalb wurde er am 3. November 1939 zum dritten Mal verhaftet und in das Konzentrationslager Sachsenhausen eingeliefert. Nachdem sich sein Gesundheitszustand deutlich verschlechtert hatte, wurde er im August 1940 schließlich bis Kriegsende im Kloster Ettal interniert. Nach der Befreiung 1945 starb er an Allerheiligen während der Messe.
Sein Grab ist in der Unterkirche der Bürgersaalkirche in München. 1987 erfolgte im Olympiastadion München die Seligsprechung durch Papst Johannes Paul II., der anschließend das Grab besuchte.19
Als Lübecker Märtyrer werden die drei katholischen Priester Johannes Prassek, Eduard Müller und Hermann Lange sowie der evangelische Pastor Karl Friedrich Stellbrink bezeichnet. Die katholischen Priester waren an der Herz-Jesu-Kirche in der Lübecker Innenstadt tätig, Stellbrink war Pastor der Lutherkirche. Seit 1941 waren sie miteinander freundschaftlich verbunden und tauschten Nachrichten und Predigten, miteinander aus. Die Geistlichen wurden wegen „Rundfunkverbrechen, landesverräterischer Feindbegünstigung und Zersetzung der Wehrkraft“ zum Tode verurteilt. Sie wurden am 10. November 1943 kurz hintereinander in der Untersuchungshaftanstalt Hamburg durch Enthauptung mit der Guillotine hingerichtet.
Die drei katholischen Geistlichen wurden am 25. Juni 2011 seliggesprochen. An Stellbrink wird seit 1969 im Evangelischen Namenkalender erinnert.20
Engelmar Unzeitig CMM, Mitglied der Kongregation der Missionare von Mariannhill
Er wurde von den Nationalsozialisten wegen „tückischer Äußerungen und Verteidigung der Juden“ angezeigt und im Juni 1941 ins KZ Dachau gebracht. Er pflegte dort freiwillig Typhuskranke und erlag selbst am 2. März 1945dieser Krankheit.
Seliggesprochen am 24. September 201621
Gerhard Hirschfelder, Priester der Erzdiözese Prag, Tschechien
Der als Jugendseelsorger in der schlesischen Grafschaft Glatz (im heutigen Tschechien) beliebte Priester predigte: „Wer der Jugend den Glauben an Christus aus dem Herzen reißt, ist ein Verbrecher!“ Dafür wurde er verhaftet und starb 1942 im KZ Dachau
Seliggesprochen am 19. September 201022
Richard Henkes, Pallotinerpater.
Wegen seiner beliebten systemkritischen Predigten verhaftet. Pflegt in Dachau freiwillig tschechische Typhuskranke. Er erkrankt selbst an Typhus und stirbt am 22. Februar 1945.
Seliggesprochen am 15. September 201923
Georg Häfner, Priester der Diözese Würzburg
Häfner verweigerte den Hitlergruß und erhielt von staatlicher Seite das Verbot, Kommunion- und Firmunterricht an der Schule zu halten. Er wurde verhaftet und im Dezember 1941 in das KZ Dachau gebracht, weil er einem Nationalsozialisten die Sterbesakramente gespendet und diesen zum Wiedereintritt in die Kirche bewegt hat. +20. August 1942
Seliggesprochen am 15. Mai 201124
Alojs Andritzki
Priester der Diözese Dresden-Meißen
Der Sorbe aus Ratibor war ein begeisternder Jugendkaplan und wurde wegen seiner ablehnenden Haltung dem Nationalsozialismus gegenüber verhaftet und im Oktober 1941 nach Dachau verbracht +3. Februar 1943
Seliggesprochen am 13. Juni 201125
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Im Konzentrationslager Auschwitz waren unter den Häftlingen auch einige wenige deutsche Priester. Johannes Kaliga war Geistlicher der Erzdiözese Breslau und arbeitete in der Pfarre Senftenberg, vorher in Rösnitz und Ratibor. Verhaftet am 10.08.1936 wegen: Predigt, Heimtückegesetz, Unterrichtsverbot, Kolpingsfamilie. Haft in den Gefängnissen in Ratibor und Oppeln, ab 27.04.1941 im KL Auschwitz. Am 4.05.1941 nach Dachau verlegt, wo er bis zur Befreiung blieb.26
Schuldbekenntnisse
Trotz vieler Enttäuschungen war das moralische Ansehen der Katholischen Kirche wegen ihrer Nichtanpassung an das totalitäre Staatssystem, ihres konsequenten Widerspruches gegen die NS Weltanschauung, ihres Einsatzes für allgemeine Menschenrechte und wegen des Martyriums vieler Priester nach Kriegsende 1945 in Deutschland groß.27 Dennoch wurde zunehmend bewusst, dass auch viel Versagen und Schuld zu bekennen ist.
Schon im Jahr 1945 schrieben die deutschen Bischöfe:
„Wir beklagen es zutiefst: viele Deutsche, auch aus unseren Reihen, haben sich von den falschen Lehren des Nationalsozialismus betören lassen, sind bei den Verbrechen gegen menschliche Freiheit und menschliche Würde gleichgültig geblieben; viele leisteten durch ihr Verhalten den Verbrechen Vorschub, viele sind selbst Verbrecher geworden.“28
Zum Verhalten gegenüber Juden nahm der Beschluss „Unsere Hoffnung“ der Gemeinsamen Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland 1975 Stellung:
„Wir sind das Land, dessen jüngste politische Geschichte von dem Versuch verfinstert ist, das jüdische Volk systematisch auszurotten. Und wir waren in dieser Zeit des Nationalsozialismus, trotz beispielhaften Verhaltens einzelner Personen und Gruppen, aufs Ganze gesehen doch eine kirchliche Gemeinschaft, die zu sehr mit dem Rücken zum Schicksal dieses verfolgten jüdischen Volkes weiterlebte, deren Blick sich zu stark von der Bedrohung ihrer eigenen Institutionen fixieren ließ und die zu den an Juden und Judentum verübten Verbrechen geschwiegen hat.“29
2020 erklärten die deutschen Bischöfe in Bezug auf den Krieg:
„Indem die Bischöfe dem Krieg kein eindeutiges „Nein“ entgegenstellten, sondern die meisten von ihnen den Willen zum Durchhalten stärkten, machten sie sich mitschuldig am Krieg.“30
Ich habe zwar kein direktes Schuldbekenntnis der Deutschen Bischöfe gegenüber Polen oder der Kirche in Polen gefunden, aber seit dem Briefwechsel 1965 gehört der Bezug zu Schuld und Verantwortung zum Grundton in zahlreichen Begegnungen.
***
Schließen will ich mit Worten, die der Papst aus Deutschland, Benedikt XVI, 2006 in Auschwitz gesagt hat:
„Es war mir eine innere Pflicht, auch vor dem Gedenkstein in deutscher Sprache besonders innezuhalten. […] Die Deutschen, die damals nach Auschwitz-Birkenau verbracht wurden und hier gestorben sind, wurden als Abschaum der Nation hingestellt. Aber nun erkennen wir sie dankbar als die Zeugen der Wahrheit und des Guten, das auch in unserem Volk nicht untergegangen war. Wir danken diesen Menschen, dass sie sich der Macht des Bösen nicht gebeugt haben und so als Lichter in einer dunklen Nacht vor uns stehen.“31
- Vortrag „Deutsche Priester – Opfer von Nazi-Konzentrationslagern“ im Rahmen der Feierlichkeiten der Jagiellonen-Universität, der Krakauer Medizinischen Gesellschaft UND des Staatlichen Museums Auschwitz-Birkenau anlässlich des 77. Jahrestages der Befreiung des deutschen Nazi-Konzentrationslagers Auschwitz- Birkenau, Krakau, 24. Januar 2022. http://www.tlk.cm-uj.krakow.pl/video/tlk_77_AuschwitzBirkenau.html
- Priesterschicksale im Dritten Reich aus dem Bistum Aachen. Aachen 1972, S. 165-179.
- Vgl. Rudolf Lill, Kirche und Nationalsozialismus. Versuch einer Bilanz – mit besonderer Berücksichtigung der Rheinprovinz. In: Lebensraum Bistum Aachen, Aachen 1982, S. 141f.151.
- Dokumentiert in: Denzler/Fabricius, Christen und Nationalsozialisten. Frankfurt a.M. 1993, S. 257f.
- Dokumentiert in: Denzler/Fabricius, Christen und Nationalsozialisten. Frankfurt a.M. 1993, S. 261.
- https://cdim.pl/1933-04-12-brief-edith-steins-an-papst-pius-xi [18.01.2022]
- Prof. Dr. Hubert Wolf: Märtyrer, Widerstandskämpfer, brave Soldaten? Deutsche Katholiken im Nationalsozialismus. Medienempfang des Erzbischofs von Hamburg, 5. September 2007. Er bezieht sich auf: Ulrich von Hehl / Christoph Kösters (bearb.), Priester unter Hitlers Terror. Eine biographische und statistische Erhebung, im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz und unter Mitwirkung der Diözesanarchive, Mainz 1984. Bis 1998 erschienen vier Auflagen.
- Das ist wenig im Vergleich mit den entsprechenden Zahlen der Polnischen Katholischen Kirche, aber viel für die Kirche in einem Land, das sich in einer von der Regierung organisierten nationalen Sammlungsbewegung befand.
- Hermann Scheipers, Gratwanderungen. Priester unter zwei Diktaturen. Leipzig 1997, S. 31f. – Hermann Scheipers ist 2016 im Alter von 102 Jahren gestorben.
- René Lejeune: Wie Gold im Feuer geläutert. Karl Leisner 195-1945. Hauteville, Schweiz, 1991, S. 70f.
- Lejeune, 95.
- 8.2.1936. Lejeune, 121.
- „Fürstabt-Gerbert-Haus“ in St. Blasien/Schwarzwald
- Lejeune, 209.
- wo er den polnischen Diakon Casimir Majdański – später Bischof von Szczecin-Kamień – kennenlernte
- Gabriel Piguet, Bischof von Clermont-Ferrand
- 25.7.1945. Lejeune, 280.
- https://www.katholisch.de/artikel/19489-todestag-von-ns-gegner-bernhard-lichtenberg-der-dompropst-der-den-nazis-die-stirn-bot [19.01.2022]
- https://de.wikipedia.org/wiki/Rupert_Mayer; https://www.heiligenlexikon.de/BiographienR/Rupert_Mayer.html
- https://de.wikipedia.org/wiki/L%C3%BCbecker_M%C3%A4rtyrer; https://www.luebeckermaertyrer.de/de/index.html Vgl.: Prof. Dr. Hubert Wolf: Märtyrer, Widerstandskämpfer, brave Soldaten? Deutsche Katholiken im Nationalsozialismus. Medienempfang des Erzbischofs von Hamburg 5. September 2007.
- Infos siehe auch www.engelmarunzeitig.de
- Infos siehe auch www.kaplanhirschfelder.de
- https://de.wikipedia.org/wiki/Richard_Henkes
https://www.katholisch.de/artikel/22711-richard-henkes-wie-ein-pallottinerpartner-gegen-die-nazis-predigte - Infos siehe auch www.georg-haefner.de
- Infos siehe auch www.bistum-dresden-meissen.de/bistum/alojs-andritzki und www.andritzki.de
- Informacja PMAB, Teresa Wontor-Cichy.
- Lill 175
- Denzler/Fabricius, Christen und Nationalsozialisten. Frankfurt a.M. 1993, S. 347.
- Unsere Hoffnung. Ein Bekenntnis zum Glauben in dieser Zeit. Mit einer Einleitung von Prof. Dr. Theodor Schneider. https://weltkirche.katholisch.de/Portals/0/Dokumente/Gemeinsame_Synode_1975_-_Unsere_Hoffnung.pdf [17.01.2022]
- Wort der Deutschen Bischofskonferenz zum Ende des Zweiten Weltkriegs vor 75 Jahren v. 29. April 2020. https://cdim.pl/de/texte/2020-04-29-deutsche-bischofskonferenz-deutsche-bischoefe-im-weltkrieg [17.01.2022]
- https://cdim.pl/2006-05-28-benedikt-xvi-ansprache-in-auschwitz-birkenau [17.01.2022]