Erzbischof Dr. Ludwig Schick

Maximilian-Kolbe-Gedenktag, 14. August 2020, Auschwitz

Les: 1 Joh 3,13-18
Ev: Joh 15,12-17

Liebe Schwestern und Brüder,
verehrte Mitbrüder im priesterlichen Dienst und verehrte Ordenschristen,
lieber Bischof Roman Pindel!

1.  Sehr herzlich danke ich Ihnen, dass Sie mir angetragen haben, dieses Jahr am Fest des hl. Maximilian Kolbe der Eucharistiefeier vorzustehen und die Predigt zu halten. Es ist mir eine Ehre, die ich mit großem Respekt wahrnehme.

Heute bin ich zum elften Mal in Folge in Oświęcim-Auschwitz, um den Gedenktag des hl. Maximilian Kolbe mit Ihnen zu feiern. Trotz Corona-Pandemie bin ich nach Auschwitz gekommen, weil es mir so wichtig ist, das Andenken an den Bekenner der Versöhnung und den Märtyrer der Nächstenliebe zu begehen. Auch in diesem Jahr darf ich die Deutschen und Deutschland vertreten, die in der Nazizeit so viel Unheil, ganz besonders über Polen, gebracht haben. Es erfüllt mich immer wieder mit Scham und ich bitte stellvertretend um Vergebung. Ich richte Ihnen allen die herzlichen Grüße der deutschen Bischöfe und aller aus, die sich im Geist des hl. Maximilian Kolbe für Versöhnung und Frieden zwischen Polen und Deutschland, in Europa und weltweit einsetzen.

2.  Auch der hl. Maximilian Kolbe ist ein Opfer des Naziterrors. Wir verehren ihn jedes Jahr mit der Prozession von dieser Kirche aus durch die Stadt zum Lager. Dort legen wir einen Kranz nieder an dem Ort, wo er aus der Reihe der Häftlinge heraustrat und sich für den Familienvater Franciszek Gajowniczek opferte. Dann gehen wir an die Erschießungsmauer, wo so viele Gefangene erschossen wurden. Von dort ziehen wir weiter in den Hungerbunker, wo Maximilian Kolbe mit den anderen neun Häftlingen starb. Auf dem Exerzierplatz feiern wir das Opfer Christi, in dem das Lebensopfer von Maximilian Kolbe für seinen Mitgefangenen seinen Ursprung hat. All das ist in diesem Jahr nicht möglich. Aber wichtig ist, vielleicht in der Corona-Pandemie besonders, den hl. Maximilian Kolbe zu verehren, uns von ihm inspirieren zu lassen und ihn um seine Fürbitte anzuflehen. Wir dürfen ihm auch unsere Gegenwart und unsere Zukunft anvertrauen. Er hat in den vergangenen Jahrzehnten, eigentlich seit 1963, als die polnischen und deutschen Bischöfe während des Zweiten Vatikanischen Konzils Papst Paul VI. gemeinsam um seine Seligsprechung baten, für Versöhnung und Frieden zwischen Deutschen und Polen gewirkt. Früchte davon sind auch das Maximilian-Kolbe-Werk und die Maximilian-Kolbe-Stiftung. Ebenso ist der Workshop, den die Stiftung jedes Jahr in der Woche des 14. August im Zentrum für Dialog und Gebet durchführt, ein Werk des hl. Maximilian Kolbe. In ihm kommen junge Menschen aus ganz Europa zusammen, um über Versöhnung und Frieden in Europa und weltweit zu sprechen und dafür zu beten.

3.  Seit dem Kriegsende vor 75 Jahren ist viel Versöhnung, Einheit und Friede in Europa entstanden, vor allem auch zwischen Polen und Deutschland.

Aber Einheit und Frieden sind immer auch brüchig und eine ständige Aufgabe. Wir spüren es gerade in diesem Jahr. Die Europäische Union durchleidet eine Zerreißprobe. Viele neue Nationalismen tun sich in den europäischen Ländern auf. Die Spannungen zwischen den Völkern nehmen zu. Auch die Verfolgung der Christen und anderer Religionen vermehren sich. Wir spüren, dass die Errungenschaften der Einheit und des Friedens in Gefahr sind und wir sie mit aller Kraft bewahren müssen. Maximilian Kolbe kann uns dabei helfen. Deshalb ist es so wichtig, ihn auch in diesem Jahr zu feiern.

4.  Liebe Schwestern und Brüder!
Was kann die Kirche Jesu Christi, die katholische Kirche, zum Werk der Versöhnung und des Friedens beitragen? Papst Franziskus, wie auch schon vor ihm Papst Benedikt XVI. und ganz besonders des hl. Papst Johannes Paul II., haben der Kirche des 21. Jahrhunderts und des 3. Jahrtausends als wichtigste Aufgabe die Mission aufgetragen. Was ist Mission im christlichen Sinn? In einem Satz zusammengefasst: Das Evangelium der Gottes- und der Nächstenliebe jedem einzelnen Menschen ins Herz zu legen und die Zivilisation der Liebe den Völkern und Nationen zu inkulturieren!

Am 14. August gedenken wir jedes Jahr des Martyriums des hl. Maximilian Kolbe im Hungerbunker und an seine Liebestat für den Mitgefangen Franciszek Gajowniczek. Das ist richtig und gut so! Wir sollten aber dabei bedenken, was den hl. Maximilian Kolbe seit seiner Jugend ausgemacht hat, was er als sein Lebenswerk betrachtete. Seit seinem Eintritt in den Franziskanerorden,  seinen Studien in Rom, der Gründung der „Militia Immaculatae“ und seiner Priesterweihe, sah er seine Sendung darin, Missionar Jesu Christi zu sein und das Evangelium auszubreiten. Dafür gründet er Niepokulanów in Polen. Dafür ging er nach Japan, errichtete Druckereien und Verlage und bildete Missionare aus. Seine Aufgabe sah er darin, die Menschen zu überzeugen, dass alle von Gott geliebt sind und er wollte sie befähigen, einander zu lieben, wie Jesus Christus uns geliebt hat, der sein Leben für uns Menschen hingab am Kreuz. Wir haben es eben im Evangelium und auch in der Lesung gehört.

5.  Die Botschaft des Evangeliums, das Christentum und die Kirche verlieren in Europa an Bedeutung, auch in Deutschland und in Polen und in vielen anderen Ländern. Andere Vorstellungen vom Leben und andere Verhaltensregel, andere   Einstellungen und Ziele als die des Evangeliums Jesu Christi, das Europa geprägt hat, machen sich immer mehr breit. Die Kirche und das Christentum sind im Rückzug und werden verdrängt.

Liebe Schwestern und Brüder!
Das dürfen wir nicht zulassen, um unser aller Zukunft willen! Wir werden kein gutes, humanes Leben haben, wenn es nicht vom Geist Jesu Christi bestimmt ist. Das Evangelium der Liebe zu Gott und zu jedem Nächsten, wie Jesus Christus es uns vorgelebt und aufgetragen hat, sind der Garant der Einheit und des Friedens. Maximilian Kolbe hat für die Botschaft Christi sein Leben hingegeben und fordert uns alle auf, das auch zu tun, zumindest dazu bereit zu sein.

6.  Wenn wir Europa wollen als Union der verschiedenen Nationen und auch Kulturen Und eine Welt, die in der Solidarität der Liebe geeint sind, in Respekt, Toleranz, Wohlwollen und Hilfsbereitschaft, dann müssen wir das Evangelium verkünden wie es Maximilian-Kolbe getan hat. Wenn wir eine Zukunft aufbauen oder weiterentwickeln wollen, die nicht nur eine Globalisierung der Wirtschaft, der Medien, des Geldtransfers, des Luxus ist, in der es sicher wieder mehr Arme und Ausgegrenzte, mehr Konflikt und Kriege, Flucht und Vertreibung gibt, ist der Geist des Evangeliums unerlässlich. Wenn wir eine Welt haben wollen, in der es Gerechtigkeit, Frieden, den gemeinsamen Gebrauch der Güter und die Bewahrung der Schöpfung gibt, dann brauchen wir die christliche Mission und Evangelisierung. Für eine humane Welt, für die Werte und Tugenden des Evangeliums der Gottes- und der Nächstenliebe ist Mission und Evangelisierung dringend notwendig.

7.  Mission und Evangelisation, Christen, die Gott lieben und den Nächsten wie sich selbst, die für die Zivilisation der Liebe wirken, waren die Anliegen von Maximilian Kolbe. Sein Märtyrertod aus Liebe für einen Gefangenen im Lager Auschwitz war die logische und letzte Konsequenz seiner Missionstätigkeit und Evangelisationsarbeit.

8.  Liebe Schwestern und Brüder!
Wenn wir heute als Polen und Deutsche zusammen mit anderen Nationen und in der ganzen Kirche Maximilian Kolbe feiern, dann soll er uns als Christen und Kirche erneut im Auftrag der Mission und Evangelisierung bestärken. Mit Jesus Christus und seinem Geist werden wir eine humane Zukunft haben und dem Reich Gottes ‚der Gerechtigkeit, des Friedens und der Freude im Heiligen Geist‘(Röm 14,17)  dienen. Lasst uns so dieses Fest feiern und uns mühen um Versöhnung, Einheit und Liebe unter uns und in unserer Welt.

Heiliger Maximilian Kolbe, Missionar der Liebe zu Gott und zu jedem Nächsten, Patron der Versöhnung und Märtyrer der Nächstenliebe, sei uns Vorbild und Fürbitter für unsere Aufgaben der Evangelisierung heute. Amen.