Lieber Jurek!

Am 9. Mai dieses Jahres wird auf dem Gelände der im letzten Krieg zerstörten Synagoge eine Gedenktafel zu Ehren der Jugen aus Wadowice und Umgebung enthüllt, die von den verfolgt und umgebracht worden sind.

Ich danke Dir sehr für Deinen Brief, in dem Du mich davon benachrichtigst.Viele Deiner ermordeten Landsleute und Glaubensbrüder waren unsereKlassenkameraden in der Volksschule und dann am Gymnasium in Wadowice, wo wir zusammen vor fünfzig Jahren Abitur gemacht haben. Als Wadowicer waren sie jedoch alle Bürger dieser Stadt, mit der wir beide – sowohl Du als auch ich – durch die Erinnerung an unsere Kindheit und Jugend verbungen sind.

Ich erinnere mich sehr gut an die Synagoge, die nahe bei unserem Gymnasium lag. Ich habe noch die langen Reihen von Gläubigen vor Augen, die sich am Feiertag zum Gebet in die Synagoge begaben.

Wenn Du am 9. Mai nach Wadowice fährst, sagdenen, die sich dort versammeln, daß ich mit ihnen gemeinsam ihrer ermordeten Landsleute und Glaubensbrüder sowie dieses Ortes des Gebetes gedenke, der von den Invasoren zerstört worden ist. Für das alles und für alle jene, deren Andenken Ihr am 9.Mai in Wadowice zu ehren wünscht, empfinde ich eine tiefe Ehrfurcht.
Erlaube, daß ich zum Schluß noch die Worte zitiere, die ich bei meinem Treffen mit Vetretern der jüdischen Gemeinde in Warschau während meiner dritten Pilgerreise in die Heimat gesprochen habe:

„Die Kirche – und in dieser Kirche fühlen sich alle Menschen und Völker mit Euch verbunden – stellt vor allem dann sehr gern Euer Volk,sein Leiden und seine Austilgung in den Vordergrund, wenn sie den Menschen, den Völkern und der Menschheit gegenüber eine Warnung aussprechen möchte; und in Eurem Namen erhebt auch der Papst diese Stimme der Warnung. Und der Papst aus Polen hat dazu eine besondere Beziehung, weil er zusammen mit Euch das alles hier auf diesem Bodem ein wenig miterlebt hat”(14.Juni 1987).

Wenn Du es für zweckmäßig erachtest, kannst Du diesen Brief öffentlich verlesen.

Ich grüße Dich herzlich
Johannes Paul II.
Vatikan, 30. März 1989