Botschaft von Jugendlichen aus Auschwitz an Jugendliche aus aller Welt

aus Anlass des Weltjugendtages in Köln
im August 2005

Liebe Freunde!
Wir kommen aus Oswiecim, einem Ort mit einer schweren Geschichte, bekannt unter dem Namen Auschwitz. Wir haben an Begegnungen teilgenommen, die vom Zentrum für Dialog und Gebet organisiert worden waren. Wir haben uns mit dem Thema des Konzentrationslagers beschäftigt und Berichte von Zeitzeugen gehört. Gemeinsam mit Jugendlichen aus Deutschland und Österreich haben wir in einem Brief, den wir aus Anlass des 60-ten Jahrestages der Befreiung des Lagers Auschwitz-Birkenau an ehemalige Häftlinge schrieben, unsere Dankbarkeit für diese Begegnungen zum Ausdruck gebracht.

Wir haben viele bewegende Antworten bekommen, von denen wir Euch einige Fragmente vorstellen wollen. Hört diese Sätze über Leid, Tod und Schmerz, aber auch über Hoffnung und Glauben von Menschen, die die Lagerhölle überleben konnten, auch zu Ehren derer, die selbst nicht mehr sprechen können… Mögen diese Zeugnisse Wegweiser beim Bau einer „Zivilisation der Liebe“ sein…

Kurz etwas über die Geschichte des Lagers:
Auschwitz wurde weltweit zum Symbol für Terror, Völkermord und Holocaust. Gegründet wurde das Lager 1940 von Nazis im besetzten Oswiecim, das zu Auschwitz wurde. Am Anfang wurden vor allem Polen im Lager eingesperrt und ermordet, später auch russische Kriegsgefangene, Sinti und Roma und Gefangene anderer Nationen. Seit 1942 wurde das Lager zum Ort des größten Massenmordes in der Geschichte der Menschheit durch die Ermordung der europäischen Juden im Rahmen des nationalsozialistischen Planes der totalen Vernichtung dieses Volkes. Die Gesamtzahl der Opfer von Auschwitz wird auf 1 bis 1 ½ Millionen Menschen geschätzt. Die meisten von ihnen starben in den Gaskammern von Birkenau.
Wir wollen sie mit einer Minute Stille ehren. [Stille]

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Nun sollen die das Wort haben, die überleben durften:

Illustration 1: Von Lager und Leid
„Die Grausamkeiten des Krieges übertrafen alle menschliche Vorstellungskraft. Die deutschen Nazis bauten Todesfabriken – Konzentrationslager, Orte der Erniedrigung und Vernichtung, wo Menschen unter unbeschreiblichen physischen und psychischen Qualen starben.“

„Auf der Rampe in Auschwitz war Selektion. Eine Mutter wollte ihr Kind nicht abgeben. Am selben Tag noch wird sie zusammen mit ihm ermordet und im Krematorium verbrannt. […] Am 21. Januar 1941 wird mein Vater vergast und im Krematorium verbrannt. Es ist schwer zu beschreiben, in was für tragischen Umständen die Mitgefangenen starben: durch die Gegend getrieben, ohne Essen und Trinken, geschlagen und misshandelt, erschossen in Graben geworfen. […] Sie starben und Gaskammern oder durch Kugeln und Stockschläge nur deshalb, weil sie Juden waren. Der „Arzt“ Josef Mengele, der im Lager die Selektionen leitete, entschied mit einer Fingerbewegung, wer noch leben durfte und wer sterben musste.“

Illustration II: Von Hoffnung
„Nie habe ich die Hoffnung verloren.“

„Ich erinnere mich an ihre gegenseitige Liebe, wie sie sich an die kleinsten Funken von Hoffnung klammerten, wie sie ihre Menschlichkeit in den Bedingungen der Hölle auf Erden bewahrten, wie sie ihre Liebsten retteten.“

Illustration III: Vom Glauben
„Ich erinnere mich an ihren Glauben an eine bessere Welt, an ihren Lebensdurst – und an ihr mit letzter Kraft und sterbenden Augen ausgedrücktes Flehen, ihrer zu gedenken, dass sie einmal unter uns waren und so sehr auf dieser Welt sein, existieren wollten.“

„Im Lager habe ich den Kontakt mit Gott verloren.“

„Die, die an Gott glauben, werfen ihm nichts vor.“

Illustration IV: Schlussfolgerungen
Aus der Tiefe unserer gequälten Herzen dringt seit langem ein erstickter Schrei. Nie wieder zulassen, dass sich so ein wahnsinniges Szenario irgendwo und in Bezug auf irgendwen wiederholen kann. Eine bedeutende Barriere muss sein, der jungen Generation das Gepäck unserer tragischen Erinnerungen zu übergeben mit dem dringenden Appell, dass sie umfassend handeln soll, um, so weit es möglich ist, die menschlichen Gedanken vom Bazillus der Intoleranz und des Hasses zu reinigen.“

„Auschwitz wurde zum Symbol des Holocaust und das soll die Welt nicht vergessen. Darüber müssen wir laut zu der Jugend sprechen, für die das Lager Auschwitz schon nur noch ein Museum ist. Die Jugend muss begreifen, dass Menschen Menschen dieses Los bereitet haben.“

Illustration V: Bitten an die Jugend
„Hört nicht auf, Zeugen der Ermordeten zu sein.“

„Schwierige Tatsachen aus der gemeinsamen Erinnerung zu streichen ist ganz einfach gefährlich. Ohne Vergangenheit gibt es keine Zukunft.“

„Den Jugendlichen möchte ich in einer Zeit, in der sich Grenzen geöffnet haben, in der Dank der modernen Kommunikationsmittel die Entfernungen sich verringern, sagen: trefft Euch, um einander besser kennen zu lernen, redet miteinander, um Euch besser zu verstehen, lernt einander zu achten, auch wenn das Aussehen und die Weise zu denken anders als die Eueren sind. Auf dass Ihr dank dessen das Drama unserer Generation nicht durchleben müsst.“

„Lasst nicht zu, dass Hass in Eueren jungen Herzen Raum findet. Liebt die Menschen ohne Rücksicht auf Ansehen der Farbe ihrer Haut, der Rasse, des Glaubens oder der politischen Anschauung.“

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Wir junge Menschen werden bald großen Einfluss auf das Geschick der Welt haben. Wie Johannes Paul II gesagt hat, hängt von uns in großem Maße die Zukunft ab.

Wir versprechen all den Menschen, die in Konzentrationslagern gelitten haben und gestorben sind, dass wir an die Geschichte erinnern werden und sie an die nächsten Generationen weitergeben und aus ihr Lehren ziehen wollen. Wir werden uns bemühen, nicht die Fehler der Vergangenheit zu begehen, die zu grauenhaften Tragödien geführt haben. Nur dann wird die Welt ein Ort werden, wo Freude, Liebe, Gerechtigkeit, Friede und Glaube herrschen.

Jugendliche aus Oswiecim


Das Projekt entstand am Zentrum für Dialog und Gebet in Oświęcim (Auschwitz). Auf unserer Internetseite (www.cdim.pl) sind weitere Texte zu finden, u.a. aus der Korrespondenz der Jugendlichen mit Zeitzeugen.

Das deutsche Maximilian Kolbe Werk hat uns geholfen, mit vielen Überlebenden Kontakt aufzunehmen, wofür wir herzlich danken.